Geiselchlöpfer
Der Geiselchchlöpfer führt unsere Gruppe an und sorgt schon mal dafür, dass wir ausreichend Platz vorfinden. Gerne weichen die Zuschauer freiwillig zurück.
Die Narrhalla Reichenburg zeigt mit ihren sieben Figuren ein breites Spektrum des Märchler Fasnachtsbrauchtums. Geiselchlepfer, Einscheller, Rölli, Fosli, Domino, Blätzler und Laui-Tüfel treiben während der fünften Jahreszeit an verschiedenen Anlässen und Umzügen ihr Unwesen. Mittlerweile zählt die Narrhalla 45 Aktivmitglieder.
Am 6. Januar beginnt die fünfte Jahreszeit mit dem Fasnachts-Einschellen Die Narrhalla Reichenburg nimmt zusammen mit den Schwäfelhexen und den Ritschbörgschranzer am kleinen Nachtumzug durch das Dorf teil. Während der Fasnacht nimmt die Narrhalla Reichenburg an verschiedenen Umzügen im In- und Ausland teil. Im Dorf organisiert sie am letzten Montag im Januar für die kleinsten Fasnächtler die Kinderfasnacht. Am Schmutzigen Donnerstag besuchen die Röllis die Schulkinder von Reichenburg mit ihren feinen Eierringli. Mit lauten „Rölli, Rölli“ Rufen und Nachahmen der Rölli- Sprünge können sich die Kinder ein solches Ringli verdienen.
Am Güdelmäntig sind auf den Strassen Reichenburgs Mitglieder der Narrhalla anzutreffen. Sie „butznen“ sich von Tür zu Tür. Die traditionelle „Wurst- und Brotverteilung“ findet ebenfalls am Güdelmäntig statt. Der Güdelmätig endet dann mit dem traditionellen Tü- felaustreiben. Mit viel Kraft und Gebrüll der Dorfkinder, werden jedes Jahr die Laui-Tüfel auf die Laui-Alp zurückgetrieben. Er lässt sich jedoch nicht für immer vertreiben. Pünktlich am 6. Januar steigt er im nächsten Jahr wieder ins Dorf hinunter, um erneut sein Unwesen zu treiben.
Seit 1920 förderten und organisierten fasnachtsbegeisterte Reichenburger nachweisbar die Fasnacht im Fürstenländli (wie Reichenburg auch noch genannt wird). Noch war es kein Verein mit Statuten, sondern eher ein Komitee, das andere mit seinem Fasnachtsfieber anzustecken versuchte.
Vor vielen Jahren fehlte einem Hirten auf der Lauialp eines Tages ein Schaf. Alles Suchen und Fluchen war umsonst. Nach einer Woche fehlte ein zweites. Der Älpler ging wieder auf die Suche. Vom Lauiloch bis zur Höchi durchstöberte er Felsen und Tannen aufs genaueste. Die Schafe bleiben spurlos verschwunden. Eines Nachts vernahm der Hirt aus Richtung Guggerwald seltsame Geräusche. Das Gepolter führte den Unerschrockenen an eine Lichtung zu einem haushohen, weissen Felsen. Plötzlich wurde es still. Jetzt hörte man Schafe blöken. Hastig rannte der Älpler blindlings in jene Richtung, stolperte und stürzte in eine Felsspalte. Vergeblich suchte er sich aus dem finsteren Loch zu befreien. Er lästerte und fluchte drauf los: „Lieber soll mich der Teufel holen, als dass ich in diesem Loch verende.“
Da erscholl eine dumpfe, aber kräftige Stimme: „Knecht, wenn du mir bis zum nächsten Vollmond ein ungetauftes Kind zum grossen weissen Felsen bringst, schaffe ich dich samt den Schafen aus dem Loch.“ Der erschrockene Älpler war gezwungen, einzuwilligen. Da schoss Feuer und Rauch aus dem Loch, als hätte der Blitz eingeschlagen, und ein harter Schlag ward den Hirten zu Boden. Beide Schafe standen bei ihm vor dem grossen weissen Felsen. Mit riesigen Sprüngen hüpfte eine hässliche, gehörnte Gestalt auf dem Felsen umher und rief: „Wehe dir, Knecht; wenn du nicht Wort hälst, sollst du mir büssen!“ Sogleich verschwand die Gestalt.
Es tagte schon. Der Älpler warf sich immer wieder vor, mit dem Leibhaftigen ein unmögliches Abkommen geschlossen zu haben. Wie in aller Welt sollte er ein ungetauftes Kind holen? So vergingen Tage und Wochen, und ehe er sich’s versah, rückte die Vollmondnacht näher und näher. Als er eines Tages bedrückt von der Lauihöchi ins Lauigrab stierte, kam ihm plötzlich eine Idee. Gedacht, getan! Er jauchzte vor Übermut und freute sich an seinem Einfall. Der Vollmond erhellt die Nacht. Voller Erwartung zerriss der Älpler ein Leintuch in breite Streifen. Packte ein Murmeltier, das er sich tags zuvor gefangen hatte, am Balg, band dem wehrlosen Tier beide Beine zusammen und wickelte es lachend ein. Dann stopfte er sein Maul mit einem Klumpen Käse und puderte den Kopf mit Mehl ein. Um Mitternacht legte er das „ungetaufte Kind“ in einen Wäschekorb und ging hinauf zum grossen weissen Felsen und sprach zu sich: „So, du Sauteufel, komm nur. Das ungetaufte Kind habe ich mitgebracht.“ Plötzlich stand der Teufel neben ihm, griff nach dem Korb und prüfte den Inhalt. „Ist gut so, Knecht, dass du es gebracht hast. Es ist wirklich ungetauft.“ Kaum war der Teufel verschwunden, ertönte ein schriller Pfiff. Das Murmeltier musste in der Zwischenzeit den Käse aufgefressen haben.
Der Teufel war sofort wieder anwesend und brüllte wütend: „Knecht, du wolltest mich übers Ohr hauen. Zur Strafe wirst du bei Vollmond nackt auf diesem Felsen mit einer Mundharmonika einen Alt-Schottisch spielen und die Nacht pausenlos durchtanzen.“ Und verschwunden war der Leibhaftige. Der Knecht aber stand ohne Kleidung auf dem Felsen, die Mundharmonika zwischen die Zähne gepresst, und irgendeine Macht zwang ihn, zu tanzen. Die Mundharmonika spielte von alleine ununterbrochen den gleichen Alt-Schottisch. Die nackten Füsse wurden rau und bluteten, und er keuchte und schnaufte. Doch er musste tanzen, bis der Tag heranbrach. Da hörte die Mundharmonika auf zu spielen, und sie löste sich von seinem Mund. Der Knecht aber sank todmüde um. Dann wurde es still. Nur vom grossen weissen Felsen bröckelten ab und zu Steinchen herunter. Man hatte den Alt-Schottisch über die ganze Alp gehört. Und bald wussten alle, was geschehen war. Man erzählte sich: „Dr Blutt tanzt ufem Tüfelstei und mulörgelet en Alt-Schottisch dezue.“
Wenn man heute auf der Kistleralp von Stofel zur Tröchni und von da zur Lauialp geht, sieht man den Teufelstein Richtung Guggerwald. Der Felsen bröckelt heute noch ab. Die Lauispalte hat man vorsichtshalber mit Ästen zugedeckt, denn das letzte Schaf fiel vor zehn Jahren in die Grube. Von der Lauihöhe kann man heute noch die Murmeltiere im Lauiloch pfeifen hören.
Narrhalla Reichenburg
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