Fasnacht; ein Wort, welches das Märchler-Herz höher schlagen lässt. Was zur Märchler-Fasnacht schlichtweg einfach hingehört ist der Rölli. Als eigentlicher Vorgänger kannte man in der ganzen Gegend den Laufnarr, welcher ebenfalls mit einem Rollengeschell und einer Bürste ausgestattet war. Die erste Bürste ist seit 1775 bekannt. Die Laufnarren oder einfach Narren im Blätzlikleid trugen ein Kostüm aus ungebleichtem Leinenstoff auf dem kleine, farbige, meist rautenförmige Stoffstücklein aufgenäht wurden. Ausserhalb der March wurde diese Figur einfach Märchler genannt.
Den Rölli gibt es schon seit den 1840er Jahren. Allerdings noch nicht mit der jetzt so typischen Glattlarve und dem Manchesterstoff. Das heutige Gewand geht zurück auf Regina Spies-Mächler, welche 1870 den eigentlichen Kleider-Prototyp des Röllis, aus grauem Stoff mit Fransen bestückt, schneiderte. Zum Gewand gehören ein Chutz, eine kaputzenähnliche Kopfbedeckung, Jacke und Hose. Darüber trägt er einen mit Pferdeglöcklein besetzten Rollengurt, von dem er seinen Namen erhielt. Passend zum Gewand dazu kreierte Alois Mühlemacher aus Tuggen um 1875 die ersten Rölli Holzmasken. Als modern galten damals die typischen drei Stirnfurchen der Glattlarve, runde Augen mit Augenbrauen und Biedermeierbrille, dreieckige Nase, ein Schnauz, mit Zahnreihen geschmückter Mund und das Grübchen. Der Schnauz wurde am Anfang nur aufgemalt und erst später geschnitzt.
1877 gilt als eigentliche Geburtsstunde des Röllis, weil man ihn erstmals am 3. und 10. Februar von Martin Deuber in Siebnen durch den March-Anzeiger kaufen oder mieten konnte. Zu seinem 130. Geburtstag widmete ihm zu Ehren die Narrhalla Reichenburg 2007 das Chäferfäscht. Vor dem Nachtumzug verteilten die Märchler Röllis (zwei pro Ortschaft) auf zwei Plätzen Orangen, Nüssli, Süssigkeiten und Eierringli. In zehn Eierringli liess man als Geburtstagsgeschenk kleine Goldbarren einbacken, welche man ebenfalls dem Volk verteilte. Anschliessend fand ein kleiner Nachtumzug durchs Dorf mit allen Rölligruppen und ähnlichen Figuren mit Rollengeschell statt.
Dank den Verbreitungszentren Siebnen und Lachen wurde der Rölli schnell einmal in den Nachbarregionen bekannt. So erhielt er vor 1914 Einzug in die Höfe, verbreitete sich im St. Gallischen See und Gaster Bezirk und einige verschlug es bis ins Sarganserland und Glarnerland. 1918 wurde er sogar unter dem Namen Lachner Böögg in Stäfa ins Brauchtum der Silvesterkläuse integriert. Heute noch wird der Silvesterbrauch durch den heimischen Turnverein am Leben erhalten.
Leider hat der Rölli auch eine dunkle Seite. So wurde er vieler Orts, wegen seinem rauen Benehmen gefürchtet. Zu häufig waren Röllis in Schlägereien und Keilereien verwickelt. Die Folgen waren, dass im Jahre 1893 die Organisatoren des Siebner Maskenballs via Zeitungen verkündet, dass Röllis keinen Zutritt haben. Ebenfalls wurden sie von einzelnen Restaurants verwiesen. Aus der Zeitung las man folgendes: Am Schmutzigen Donnerstag in der Nacht, wurde der Schuhmacher Bamert, ohne Veranlassung von einem Laufnarr mit Knebel auf den Kopf geschlagen, so dass er infolge dieser Schläge am anderen Abend eine Leiche war.
Man erzählte sich, dass in Zürich gewarnt wurde vor einem Aufenthalt in der March zur Fasnachtszeit, denn es geschähen dort schauerliche Dinge. Stammt etwa von daher der nicht gerade schmeichelhafte Ausdruck, Kanton Mord und Totschlag. Heute geht es in der Fasnacht wieder gesitteter zu und her. Besonders beliebt ist die Fasnachtsfigur bei den Kindern. Nicht zuletzt wegen den Eierringli. Wann die ersten Ringli verteilt wurden, weiss man nicht genau. Seit es aber Fotos gibt, in den 20er Jahren im letzten Jahrhundert, verteilen sie haufenweise das beliebte Gebäck. Der Siebner Rölli verteilt statt Eierringli Erdnüssli, welche er in einem weissen Sack mitträgt und Änisringli bekommt man vom Freienbächler Rölli.
In Reichenburg war es um die Jahrhundertwende Brauch und Mode, dass in vielen Familien ein Rölli geschneidert wurde. Jede Familie gab ihrem Rölli sein eigenes Gepräge der Woll-Ponpons und Quasten. Es war der Familienstolz, einen eigenen Rölli zu besitzen. So kannte man, um nur einige Familien zu nennen, d’Röllene vo’s Karli Seppe Martis (befindet sich heute im Marchmuseum und ist mehr als 100 Jahre alt), vo’s Maries-Bäschä, s’Schnider-Pisä, s’Benis grossä Rölli und s’Bärewirtis Butzigwänder. Der Bärenwirt vermietete seit ca. 1945 unter anderem Rölli’s und er hatte bis 1985 stolze 20 Märchler Rölli in seiner Maskengarderobe, die dann leider auswärts verkauft wurden.
Leider bekam man immer weniger Röllis im Dorf zu sehen. Am Fasnachtseinschellen trieben noch einige ihr Unwesen. Mit der Zeit verschwanden aber auch diese. Im Jahre 1997 beschloss die Narrhalla Reichenburg dem Röllisterben ein Ende zu setzten. Auf das nächste Jahr wurde durch die Familie Ernst Winet-Bruhin fünf neue Röllikostüme in den Farben des Dorfwappens angefertigt. Die Maske schnitzte Markus Kläger aus Pfäffikon. In der Zwischenzeit hat sich eine Rölligruppe fest in die Narrhalla integriert. Heute besitzt der Verein rund 14 eigene Röllis. Drei Röllis besitzt die Familie Leo Kistler, 8 Röllis und 5 Foslis die Familie Ernst Winet und einen alten Fossli René Mettler.
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